In Fortsetzung seiner Filesharing Rechtsprechung hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 08.01.2014 in der sogenannten BearShare Entscheidung zur Haftung des Anschlussinhabers für das Verhalten volljähriger Familienmitglieder geäußert (Az. I ZR 169/12) – BGH Bearshare.
Mit diesem Urteil hat der BGH die Verfolgung von durch Downloads über Internettauschbörsen verursachtes öffentliches Anbieten von urheberrechtlich geschützten Werken wie Filmen, TV-Serien, Musikwerken, Hörbücher und Software für die Rechteinhaber erschwert. Er hat nämlich eine Haftung des Anschlussinhabers für das Verhalten volljähriger Familienmitglieder verneint, wenn er keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass dieser den Internetanschluss für illegales Filesharing missbraucht.
Die Klägerinnen des Falles waren laut Pressemitteilung des BGH vier der führenden deutschen Tonträgerhersteller. Nach dem vom BGH mitgeteilten Sachverhalt sei der Beklagte Inhaber eines Internetzugangs gewesen. In seinem Haushalt lebten auch seine Ehefrau und deren volljähriger Sohn.
Die Klägerinnen ließen den Beklagten durch Anwaltsschreiben abmahnen; sie behaupteten, am 12. Juni 2006 seien über seinen Internetanschluss 3.749 Musikaufnahmen, an denen sie die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte besäßen, in einer Internettauschbörse zum Herunterladen verfügbar gemacht worden. Der Beklagte gab ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Er weigerte sich jedoch, die geltend gemachten Abmahnkosten zu bezahlen.
Daraufhin haben die Klägerinnen den Beklagten auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 3.454,60 € überwiegend erfolgreich in Anspruch genommen, zunächst vor dem LG Köln ( 28 O 202/10) und sodann vor dem OLG Köln (6 U 208/10).
Der Beklagte macht geltend, er sei für die behaupteten Rechtsverletzungen nicht verantwortlich. Sein damals 20-jähriger Stiefsohn habe die Musikdateien über den Internetanschluss zugänglich gemacht. Der Stiefsohn des Beklagten hat im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung gegenüber der Polizei eingeräumt, er habe mit dem Tauschbörsenprogramm „BearShare“ Musik auf seinen Computer heruntergeladen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerinnen 2.841 € zu zahlen, und die weitergehende Klage abgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, der Beklagte sei für die Verletzung der urheberrechtlich geschützten Rechte an den Musiktiteln verantwortlich. Er habe dadurch, dass er seinem 20-jährigen Stiefsohn den Internetanschluss zur Verfügung gestellt habe, die Gefahr geschaffen, dass dieser an urheberrechtsverletzenden Musiktauschbörsen teilnehme. Es sei ihm daher zumutbar gewesen, seinen Stiefsohn auch ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihm die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen. Der Beklagte habe diese Verpflichtung verletzt, weil er seinen Stiefsohn nicht – jedenfalls nicht hinreichend – belehrt habe.
Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen. Bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Familienangehörige ist – so der BGH – zu berücksichtigen, dass die Überlassung durch den Anschlussinhaber auf familiärer Verbundenheit beruhe und Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich seien. Im Blick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und die Eigenverantwortung von Volljährigen dürfe der Anschlussinhaber einem volljährigen Familienangehörigen seinen Internetanschluss überlassen, ohne diesen belehren oder überwachen zu müssen; erst wenn der Anschlussinhaber – etwa aufgrund einer Abmahnung – konkreten Anlass für die Befürchtung habe, dass der volljährige Familienangehörige den Internetanschluss für Rechtsverletzungen missbraucht, habe er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Da der Beklagte nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür gehabt habe, dass sein volljähriger Stiefsohn den Internetanschluss zur rechtswidrigen Teilnahme an Tauschbörsen missbraucht, hafte er auch dann nicht als Störer für Urheberrechtsverletzungen seines Stiefsohnes auf Unterlassung, wenn er ihn nicht oder nicht hinreichend über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen belehrt haben sollte.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 5/2014 vom 08.01.2014
Anmerkung: Nachdem der Gesetzgeber zum 09.10.2013 durch das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken zum Schutz der Verbraucher u.a. das Urhebergesetz dahingehend geändert hat, dass der sog. fliegende Gerichtsstand bei urheberrechtlichen Klagen gegen Privatpersonen entfallen ist, also nicht mehr bundesweit an allen sachlich zuständigen Gerichten geklagt werden kann, und auch die Erstattungsfähigkeit von Abmahnkosten auf etwa 125 € begrenzt wurde, ist diese Entscheidung ein weiterer Schritt zur Stärkung der Rechte von durch Filesharing Abmahnungen betroffener Privatpersonen und ein Schlag ins Kontor der Abmahnindustrie, deren wirtschaftlicher Schaden durch die illegalen Downloads über Peer to Peer Netzwerke (Internettauschbörsen) enorm ist. Durch die vorstehende Entscheidung des BGH werden die geschädigten Rechteinhaber aber nicht rechtlos gestellt. Wenn der Name und die Adresse des täterschaftlich handelnden Familienmitglieds bekannt ist, muss dieser in derartigen Verfahren mit einer direkten Klage oder einer entsprechenden Streitverkündung im anhängigen Verfahren gegen den Anschlussinhaber rechnen.