Skip to main content

Erfreuliche Neuigkeiten gibt es für Amazon-Händler zu vermelden, denn Amazon einigt sich mit Bundeskartellamt (BKartA):

Amazon lenkt in einem Kartellstreit ein und sagt umfangreiche Änderungen der Händler-Geschäftsbedingungen zu. Die Änderungen gelten laut dem Präsidenten des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, für alle Händler auf den Amazon Online-Marktplätzen. Betroffen ist das sogenannte Business Solutions Agreement (BSA). Damit sind in Zukunft erhebliche Verbesserungen für die Marktplatzhändler zu erwarten.

Die weitreichenden Zugeständnisse Amazons gelten für den deutschen Marktplatz von amazon.de. Des weiteren sind alle europäischen Marktplätze (amazon.co.uk, amazon.fr, amazon.es, amazon.it) betroffen. Schließlich ändert Amazon die Händler-Geschäftsbedingungen auch weltweit für alle seine Online-Marktplätze einschließlich der amerikanischen und asiatischen Marktplätze. Dies ist einer Pressemeldung des Bundeskartellamts vom 17.07.2019 zu entnehmen.

I. Vorgeschichte: Missbrauchsverfahren gegen Amazon durch das BKartA

Das Bundeskartellamt hat im November 2018 aufgrund zahlreicher Beschwerden von Händlern ein Missbrauchsverfahren gegen Amazon eingeleitet. Hintergrund ist eine Überprüfung der Geschäftsbedingungen und Geschäftspraktiken von Amazon gegenüber den Händlern, die ihre Waren auf dem deutschen Marktplatz amazon.de anbieten. Aufgrund der Bedeutung des chancengleichen Marktzugangs zum größten Online-Marktplatz in Deutschland hatte das Amt zahlreiche kartellrechtliche Bedenken. Siehe insoweit auch die Pressemeldung des Bundeskartellamts vom 29.11.2018.

Amazon zeigte sich im Laufe der Ermittlungen allerdings einsichtig und kommt den Händlern weit entgegen. Amazon ändert in Kürze die bisher recht einseitigen Regeln. Aufgrund der weitreichenden Zugeständnisse Amazons konnte das Missbrauchsverfahren eingestellt werden. Das Einlenken von Amazon kann das Bundeskartellamt als großartigen Erfolg für sich verbuchen.

II. Weitere Ermittlungen auf europäischer Ebene.

Trotz der Einigung mit dem BKartA ermittelt die Europäische Kommission zum Thema des Datengebrauchs durch Amazon sowie dessen Auswirkungen auf die Marktplatzhändler weiter. Das BKartA hat sich auch mit anderen europäischen Kartellämtern (z.B. Österreich und Luxemburg) ausgetauscht, da diese Behörden ebenfalls gegen Amazon ermitteln. Dabei geht es u.a. um die Erhebung und die Nutzung von Transaktionsdaten durch Amazon. Insoweit wird Amazon vorgeworfen, den Verkaufserfolg einiger Marktplatzhändler zu beobachten und wenn es sich lohnt, selber in den Handel einzusteigen.

III. Amazon einigt sich mit Bundeskartellamt | Was ändert sich für Händler?

Nach dem Fallbericht des Bundeskartellamts ändert sich zukünftig folgendes:

1. Mehr Transparenz zu Geschäftsbedingungen und Änderungen

Amazon Händler konnten das komplexe Werk an Bestimmungen, Zuständigkeiten und Richtlinien bislang schwer überblicken. Ein wichtiges Ergebnis der Einigung zwischen Amazon und dem Bundeskartellamt ist, dass Amazon zukünftig einen Hyperlink in den BSA zu den geltenden Bestimmungen und Programmrichtlinien einbindet. Änderungen kündigt Amazon zudem 15 Tage vorher an. Die Kommunikation erfolgt per E-Mail.

2. Haftung von Amazon

Die Haftung für defekte Produkte war bisher zulasten der Händler geregelt. Amazon hat sich praktisch von jeglicher Haftung gegenüber den Händlern entbunden. Als Ergebnis der Einigung zwischen Amazon und dem Bundeskartellamt passt Amazon u.a. die Haftungsklauseln der Allgemeinen Geschäftsbedingungen an den europäischen Standard an. D.h. Amazon haftet künftig ebenso wie die Händler für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit sowie bei Verletzung wesentlicher Vertragspflichten. Dies gilt sowohl für das BSA als auch für die Geschäftsbedingungen zum Zahlungsverkehr (Amazon Payments Agreement „APE“) für Europa.

3. Kein ausschließlicher Gerichtsstand mehr in Luxemburg

Geändert wurde auch der ausschließliche Gerichtsstand Luxemburg. Bislang mussten Händler Amazon stets in Luxemburg verklagen. Sprachliche Barrieren und Zusatzkosten für luxemburgische Anwälte waren die Folge. Dies stellte für manchen Händler eine erhebliche wettbewerbsrechtliche Behinderung dar. Künftig können unter bestimmten Voraussetzungen auch deutsche Gerichte zuständig sein. Ein weiteres Ergebnis der Einigung zwischen Amazon und dem Bundeskartellamt ist, dass aus Gründen der Gleichbehandlung aller Händler luxemburgisches Recht für die Geschäftsbeziehungen maßgeblich bleibt.

4. Geheimhaltung

Geändert wurde auch die bisherige Geheimhaltungspflicht. Bisher durfte sich ein Händler nur über eine Geschäftsbeziehung mit Amazon äußern, wenn ihm das US-Unternehmen dies vorher erlaubt hatte. Diese Klausel wird den Angaben zufolge „weitgehend reduziert“.

5. Nutzungsrechte

Die Händler mussten Amazon sowie verbundenen Unternehmen bislang unwiderruflich weitgehende weltweite Nutzungsrechte an den von ihnen bereitzustellenden Produktmaterialien (z.B. Produkt-Bilder/-Beschreibungen) einräumen. Diese Regelungen schränkt Amazon künftig zeitlich und inhaltlich ein.

6. Produktinformation und Paritätsvorgabe

Zudem mussten Händler nach Maßgabe der sog. Paritätsklausel Produktinformationen und -materialien zur Verfügung stellen, die qualitativ ebenso hochwertig sind wie das hochwertigste, von ihnen in anderen Vertriebskanälen verwendete Material. Händler waren dadurch teilweise überstrapaziert, indem sie auf eigenes Risiko Nutzungsrechte eingeräumt haben, die ihn gar nicht zustanden.

Zudem war es Händlern dadurch verwehrt, sich auf anderen Vertriebskanälen besser zu präsentieren, als auf dem Amazon-Marketplace. Trotz weiterhin zulässiger Qualitätsvorgaben von Amazon entfällt die Paritätsvorgabe zukünftig. Dies ermöglicht den Händlern, wieder in Konkurrenz zu Amazon bzw. ihren eigenen Angeboten bei Amazon zu treten. Mit einem eigenen Onlineshop können sich Amazon-Händler zukünftig gegenüber amazon.de abheben.

7. Retouren und Erstattungen

Unangetastet bleiben die kundenfreundlichen Amazon-Regeln gegenüber Käufern zu Retouren und Erstattungen. Amazon behält auch die Entscheidungskompetenz über die Annahme von Retouren beim Versand durch Amazon (FBA). Die Händler haben Amazon aber vorgeworfen, selbst bei erkennbar unberechtigten Reklamationen haften zu müssen. Zukünftig ändert sich daher der interne Abwicklungsprozess mit Amazon. Der Händler kann die Herausgabe der zurückgenommenen Artikel verlangen

8. Produktrezensionen und Verkäuferbewertungen

Händler werfen Amazon vor, dass Amazon Verkäufe von Amazon als Händler (Amazon Retail) gegenüber den Verkäufen von Marktplatzhändlern bevorzugt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass über Drittanbieter (sog. Rezensionsclubs) eingeholte Produktbewertungen von der Plattform gelöscht werden, während die von Amazon selbst über das eigene Bewertungsprogramm „Vine“ generierten Rezensionen weiter veröffentlicht werden, obwohl auch hier die Rezensenten zwar nicht direkt bezahlt werden, aber das Testprodukt immerhin kostenlos erhalten.

Amazon macht geltend, dass es ein erhebliches Risiko von falschen und manipulativen Bewertungen gibt und Amazon das Problem grundsätzlich angehen möchte. Vor allem soll das bislang nur den Lieferanten von Amazon Retail zugängliche eigene Bewertungsprogramm „Vine“ schrittweise für solche Marktplatzhändler geöffnet werden, die Inhaber einer bei Amazon registrierten Marke sind.

Zusätzlich wird Amazon das Bewertungsprogramm „Early-reviewer“ in Europa einführen. Darin können Händler neue Produkte anmelden, für die Amazon Kunden auffordert, im Anschluss an den Kauf gegen geringe Vergütung Rezensionen abzugeben.

Wegen der von Amazon vorgeschlagen Anpassungen und einer laufenden Sektoruntersuchung zu „Nutzerbewertungen“ (siehe Pressemeldung des BKartA vom 23.05.2019) hat das BKartA von weiteren Anforderungen für die Regelungen zu Produktbewertungen vorerst abgesehen.

9. Kündigung und Sperrung

Amazon einigt sich mit dem Bundeskartellamt darauf, dass es das Kündigungsrecht anpasst. Bisher hat Amazon nach Angaben des BKartA ein unbeschränktes Recht zur sofortigen Vertragskündigung. Des weiteren konnte Amazon ohne Begründung Händlerkonten sofort sperren. Künftig gilt bei ordentlichen Kündigungen eine Kündigungsfrist von 30 Tagen. Bei außerordentlichen Kündigungen und Sperrungen muss Amazon die Händler grundsätzlih informieren und die Kündigung begründen.

IV. Fazit zur Einigung zwischen Amazon und dem Bundeskartellamt

Mit der vorläufigen Einigung zwischen Amazon und Bundeskartellamt sind erfreulicherweise weitreichende Verbesserungen für Amazon-Händler verbunden. Derzeit bearbeitet Amazon die Vertragsanpassungen und versendet diese nach den Vereinbarungen in Kürze an die Händler. Somit bleibt derzeit abzuwarten, wie die konkreten Anpassungen genau aussehen.

Aufgrund der Erfahrungen vieler Händler in der Vergangenheit drängen sich gewisse Zweifel förmlich auf. Aber wer weiß, möglicherweise kann auch ein Internetriese wie Amazon alte Gewohnheiten ablegen. Amazon Händler sind jedenfalls gut beraten, wenn Sie das zukünftige Verhalten von Amazon genau beobachten und darauf achten, ob Amazon die Zusagen auch tatsächlich einhält.