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Das Berliner Kammergericht hat in einem Beschwerdeverfahren (Beschl. v. 29. April 2011 – 5 W 88/11) die Verwendung des Gefällt-mir-Button von Facebook auf der Internetseite eines Online-Händlers als wettbewerbsrechtlich unbedenklich eingestuft.

Nach Auffassung des 5. Zivilsenats spricht im Streitfall zwar einiges dafür, dass der Verwender des Buttons gegen Unterrichtungspflichten nach § 13 des Telemediengesetzes (TMG) verstoßen habe:

Nach den glaubhaften Angaben der Antragstellerin sei davon auszugehen, dass Facebook infolge der Verwendung des Buttons seine Mitglieder bei Nutzung der Seite unschwer über eine Kennnummer identifizieren könne. Daten der Seitennutzer würden auch erfasst, wenn sie zum Zeitpunkt ihres Besuches nicht bei Facebook eingeloggt seien.

Die Verwendung des Buttons ohne ausdrücklichen Hinweis auf diese Wirkungen des Facebook-Plugins sei jedoch nicht als Wettbewerbsverstoß einzustufen. Der Marktauftritt der Konkurrenz sei durch die Weiterleitung der Daten nicht unmittelbar betroffen. Der klagende Mitbewerber könne deswegen keine Unterlassung vom Verwender verlangen.

Aus den Urteilsgründen:

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 TMG hat der Antragsgegner als Diensteanbieter im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG den Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten sowie über die Verarbeitung seiner Daten in Staaten außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr in allgemein verständlicher Form zu unterrichten, sofern eine solche Unterrichtung nicht bereits erfolgt ist.
… 2.
Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt aber nur derjenige unlauter, der einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Als Marktverhalten ist jede Tätigkeit auf dem Markt zu sehen, durch die ein Unternehmer auf die Mitbewerber, Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer einwirkt. Dazu gehören nicht nur das Angebot und die Nachfrage von Waren und  Dienstleistungen, sondern auch die Werbung und der Abschluss und die Durchführung von Verträgen, (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 4, Rn 11.34; Schaffert in: Münchener Kommentar, Lauterkeitsrecht, § 4 Nr. 11, Rn 54). Das Erfassen personenbezogener Daten der Facebookmitglieder, die die Webseite des Antragsgegners besuchen, und die Weiterleitung der Daten an Facebook sowie die an diese Vorgänge anknüpfende  Informationspflicht des § 13 Abs. 1 TMG betreffen den Marktauftritt des Antragsgegners jedenfalls nicht unmittelbar. Es besteht nur insoweit ein Zusammenhang zwischen dem Marktauftritt des Antragsgegners sowie  Datenerfassung und – weiterleitung, als das vom Antragsteller installierte Programm die Daten anlässlich eines Kontakts des Facebookmitglieds mit dem werbenden Internetauftritt des Antragsgegners erhebt und weiterleitet. ….

… 6.
Außenwirkung im Sinne einer Tätigkeit auf dem Markt mit dem Ziel der Einwirkung auf andere Marktteilnehmer entfalten diese Vorgänge erst, wenn nach der Datenverarbeitung durch Facebook werbende Inhalte auf der  Seite des Antragsgegners erscheinen, die Facebook als Nachrichten oder Empfehlungen von Freunden bezeichnet. Anderes lässt sich dem Vorbringen der Antragstellerin jedenfalls nicht entnehmen. In diesem Sinne betrifft ein Verstoß gegen § 13 Abs. 1 TMG ein Verhalten, das dem Marktverhalten vorausgegangen ist und nur dann als Marktverhaltensvorschrift im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG anzusehen ist, wenn ihm eine zumindest sekundäre  wettbewerbsbezogene Schutzfunktion innewohnt (vgl. BGH GRUR 2010, 654 – Zweckbetrieb, Rn 18).

a)
Diese Schutzfunktion ist im Hinblick auf die Mitbewerber des nach § 13 Abs. 1 TMG Informationspflichtigen nicht zu erkennen. Die Vorschriften im vierten Abschnitt des TMG mit der Überschrift „Datenschutz“ verfolgen ebenso wie bereits die Vorgängerregelungen in dem bis zum 28. Februar 2007 gültigen TDDSG das Ziel, „eine verläßliche Grundlage für die Gewährleistung des Datenschutzes im Bereich der Teledienste zu bieten und einen Ausgleich zwischen dem Wunsch nach freiem Wettbewerb, berechtigten Nutzerbedürfnissen und öffentlichen Ordnungsinteressen zu schaffen“ (vgl. BT-Drucksache 13/7385, S. 21, zum TDDSG; Schmitz in: Hoeren/Sieber,  andbuch Multimediarecht, 16.2, Rn 15). Die durch § 13 Abs. 1 TMG wie in ähnlicher Weise zuvor durch § 3 Abs. 5 TDDSG auferlegte Informationspflicht soll konkret gewährleisten, dass der Nutzer „sich einen umfassenden Überblick über die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner personenbezogenen Daten verschaffen kann“ (vgl. BT-Drucksache 13/7385, S. 22, zum TDDSG). Der Gesetzgeber hat mithin aliein überindividuelle Belange des freien Wettbewerbs bei der Gesetzgebung berücksichtigt, um Beschränkungen der Persönlichkeitsrechte der Nutzer von Telediensten zu rechtfertigen, nicht aber Interessen einzelner Wettbewerber. Für die Beurteilung, ob ein Verstoß im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG vorliegt, ist es unerheblich, ob sich ein Unternehmer durch die Missachtung einer derart auf den Datenschutz bezogenen Informationspflicht einen Vorsprung im Wettbewerb  verschafft (vgl. BGH GRUR 2010, 654 – Zweckbetrieb, Rn 19; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 4, Rn 11.35c).

b)
Im Hinblick auf Verbraucher mag § 13 Abs. 1 TMG die erforderliche wettbewerbsbezogene Schutzfunktion insoweit zuzugestehen sein, als die Informationsverpflichtung auch dazu dienen kann, Beeinträchtigungen der Privatsphäre durch unerwünschte Werbung abzuwehren und zu unterbinden. Wie § 7 UWG zeigt, wird der Verbraucher durch unerwünschte Werbung nicht nur in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, sondern auch in seiner Stellung als Marktteilnehmer beeinträchtigt (vgl. Schaffert in: Münchener Kommentar, Lauterkeitsrecht, § 4 Nr. 11, Rn 69).

3.
Auf der Grundlage des glaubhaft gemachten Vortrages der Antragstellerin ist jedoch nicht davon auszugehen, dass eine danach bestehende wettbewerbsbezogene Schutzfunktion des § 13 Abs. 1 TMG durch das beanstandete Verhalten des Antragsgegners tangiert wird.

a)
Facebookmitglieder, die während ihres Besuchs auf der Webseite des Antragsgegners bei Facebook angemeldet sind, geben dem auf der Seite des Antragsgegners installierten Programm Wunsch und Bereitschaft zu erkennen, dass Facebook ihnen den „richtigen sozialen Kontext bzw. das richtige soziale Umfeld“, d.h. Nachrichten und Empfehlungen von „Freunden“ anzeigt. Das Wettbewerbsrecht will die Privatsphäre jedoch nur vor unzumutbaren Belästigungen durch geschäftliche Handlungen schützen, insbesondere vor Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht (vgl. § 7 Abs. 1 UWG).-

b)
Für Facebookmitglieder, die während ihres Besuchs auf der Webseite des Antragsgegners bei Facebook angemeldet sind, den „Gefällt-mir-Button“ betätigen und infolgedessen weitere Werbung des Antragsgegners erhalten, gelten die obigen Ausführungen erst recht.

c)
In welcher lauterkeitsrechtlich beachtlichen Weise Facebookmitglieder, die während ihres Besuchs auf der Webseite des Antragsgegners nicht bei Facebook angemeldet sind, infolge der Datenerfassung und -weiterleitung durch geschäftliche Handlungen in ihrer Privatsphäre beeinträchtigt werden, ist dem Vorbringen der Antragstellerin nicht zu entnehmen.

d)
Sofern aufgrund der oben unter a) bis c) aufgeführten Gründen nicht bereits die Unlauterkeit der beanstandeten Unterlassung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG zu verneinen ist, steht einer wettbewerbsrechtlichen Unzulässigkeit aus diesen Gründen die fehlende geschäftliche Relevanz entgegen.  Unlautere geschäftliche Handlungen sind nur dann unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3 Abs. 1 UWG). Auch insoweit gilt, dass nur lauterkeitsrechtlich geschützte Interessen von Verbrauchern in Betracht zu ziehen sind (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 3, Rn 1.20). …

Fazit: Shopbetreiber können erst einmal aufatmen. Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen von Mitbewerbern wegen der fehlerhaften Einbindung des Facebool „I Like Buttons“ sollten jetzt erste einmal abnehmen. Dennoch ist Vorsicht geboten, da die datenschutzrechtliche Situation anders zu beurteilen ist. Datenschützer können die fehlerhaften Datenschutzinformationen nämlich monieren und im Ernstfall kann es nach dem TMG zu Bußgeldern kommen, so dass sich Onlienshopbetreiber tunlichst um ordnungsgemäße Datenschutzbelehrungen bemühen sollten.

Anbei die maßgeblichen Auszüge aus dem TMG:

Telemediengesetz (TMG )

§ 13 Abs. 1 Satz 1 – Pflichten des Diensteanbieters

(1) Der Diensteanbieter hat den Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten sowie über die Verarbeitung seiner Daten in Staaten außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. EG Nr. L 281 S. 31) in allgemein verständlicher Form zu unterrichten, sofern eine solche Unterrichtung nicht bereits erfolgt ist.

§ 16 – Bußgeldvorschriften

(2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

… 2. entgegen § 13 Abs. 1 Satz 1 oder 2 den Nutzer nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig unterrichtet, …

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

Vorinstanz: Landgericht Berlin, Beschl. v. 14. März 2011 – 91 O 25/11 –