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Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 21.12.2010 (Az.: I-4 U 142/10) entschieden, dass ein Verstoß gegen bestimmte eBay Grundsätze keinen Wettbewerbsverstoß darstellt.

Vielmehr muss eBay selbst entsprechende Sanktionen gegen seine Mitglieder bei Verstößen gegen die Grundsätze treffen.

Bei eBay gibt es verschiedene Grundsätze zum Einstellen von Artikeln, die die Nutzung der Webseite regeln und die alle Nutzer zu beachten haben.

Einer der Grundsätze lautet:

  • „Es ist verboten, als Verkäufer gleichzeitig mehr als 3 Angebote mit identischen Artikeln anzubieten. Das gilt auch für das Anbieten von mehr als 3 Angeboten mit identischen Artikeln unter verschiedenen Mitgliedsnamen.“ Dabei werden unter identischen Artikeln alle Artikel verstanden, „die inhaltlich gleich sind, also z.B. eine identische Produkt- oder ISBN-Nummer haben. Dabei sind Unterschiede in Preis und Artikelbezeichnung sowie Artikelbeschreibung unerheblich“.

Zum Sachverhalt (vereinfacht dargestellt):

Die Parteien vertreiben im Internet auf der Aktionsplattform eBay Kfz-Hifi-Geräte und Zubehör und stehen zueinander im Wettbewerb. Der Beklagte bot bei eBay jeweils ein Produkt im Sofort-Kaufen-Format als inhaltlich gleichen, also identischen Artikel an verschiedenen Tagen zwischen 6 bis 12 Mal an. Daraufhin wurde der Beklagte von der Klägerin abgemahnt und zur Unterlassung aufgefordert, weil der Beklagte nach Auffassung der Klägerin gegen den eBay-Grundsatz, gleichzeitig nicht mehr als drei gleichartige Artikel einzustellen, verstoßen hat.

Dem Beklagten wurde in der I. Instanz vorgeworfen, sich in unlauterer Weise Wettbewerbsvorteile gegenüber den Wettbewerbern, die Sich an die Grundsätze hielten, verschafft zu haben. Er habe bei den verschiedenen Produkten mehr als drei identische Artikel bei eBay angeboten. Diese Angebote unterfielen sämtlich auch nicht den von eBay vorgesehenen Ausnahmetatbeständen.

Die Klägerin meint, der Beklagte habe sie gezielt behindert, weil seine mit Methode erfolgende Einstellpraxis bei eBay dazu führe, dass in der Suchergebnis-Liste die Produkte sehr viel häufiger dargestellt würden als das mit den zulässigen dreimaligen Angeboten möglich sei. Die von eBay bezweckte Begrenzung identischer Angebote zum Zwecke der Übersichtlichkeit werde durch das Verhalten des Beklagten unterlaufen. Dieser tauche damit öfter auf und finde dabei die größere Gelegenheit zu einem Vertragsabschluss als sie, die Klägerin, mit ihren weitgehend ähnlichen Produkten. Jedenfalls aber stelle die Einstellpraxis des Beklagten eine allgemeine Marktbehinderung dar, die wegen Verstoßes gegen die Generalklausel des § 3 UWG unlauter sei. Das Verhalten sei unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Marktstruktur auch wettbewerbswidrig. Das Verhalten lasse gleichartige Maßnahmen von Mitbewerbern erwarten und bringe die Gefahr einer rechtswidrigen Veränderung der Marktstruktur mit sich, die zu einer dauerhaften Verschlechterung der wettbewerblichen Strukturen führen könne.

Der Beklagte ist dem Unterlassungsbegehren entgegengetreten. Er ist der Meinung, dass er zu der mit der Abmahnung geltend gemachten Unterlassung nicht verpflichtet ist. Er hat auf die Ausnahmen von dem betreffenden Grundsatz in Bezug auf Angebote in der Kategorie „Kfz-Services & Reparaturen“ und Auktionen mit einem Startpreis von einem Euro hingewiesen. Außerdem ist er der Auffassung, dass allein eBay darüber entscheiden kann, ob ein Verstoß gegen die Grundsätze vorliegt. Ferner ob dieser mit den von eBay seinen Nutzern angedrohten Konsequenzen zu verfolgen ist. Einen Wettbewerbsverstoß stelle ein solcher Verstoß nicht dar. Denn eBay-Grundsätze seien keine gesetzlichen Regelungen.

I. Instanz

Das Landgericht Bochum hatte einen Unterlassungsanspruch abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt,

der unstreitige Verstoß gegen die eBay-Grundsätze, wonach ein Anbieter nicht mehr als drei identische Angebote einstellen dürfe, stelle keinen Wettbewerbsverstoß dar. Die Nichtbeachtung der ausschließlich im Verhältnis zwischen dem Beklagten und eBay vereinbarten Grundsätze stelle keine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG dar. Auch eine allgemeine Marktbehinderung liege entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor. Diese könne somit auch die geltend gemachten Anwaltskosten nicht erstattet verlangen.

II. Instanz

Die Klägerin greift das ertinstanzliche Urteil mit der Berufung an.

Sie verweist darauf, dass das von ihr als Verletzungshandlung gerügte Verhalten des Berufungsbeklagten unstreitig ist. Damit ist auch unstreitig, dass dieser planmäßig und systematisch gegen den eBay-Grundsatz zum Einstellen von mehreren identischen Artikeln verstoßen hat, der für alle Anbieter auf dem Online-Marktplatz gilt.

Da auf der Suchergebnis-Liste sämtliche eBay-Angebote einschließlich der Shop-Artikel angezeigt sind, führt die Einstellpraxis des Berufungsbeklagten dazu, dass dieser wesentlich häufiger mit seinen Artikeln erscheine als vertragstreue Mitbewerber wie sie. Es erhöhe sich damit für ihn die Wahrscheinlichkeit, dass seine Angebote angeklickt werden.

Durch dieses Verhalten sind nicht nur die Interessen der Mitbewerber spürbar beeinträchtigt, sondern auch die Interessen der Verbraucher. Für diese ist die von eBay beabsichtigte übersichtliche Angebotsstruktur konterkariert. Im Ergebnis führt die Einstellpraxis des Berufungsbeklagten zu einer rechtswidrigen Verzerrung der Angebotsstruktur bei eBay. Das Verhalten sei nach Meinung der Berufungsklägerin auch wettbewerbswidrig, weil der verletzte eBay-Grundsatz nicht nur zur Regelung des privatrechtlichen Verhältnisses von eBay zu den Anbietern dient, sondern einen allgemein gültigen Rahmen für den Handel auf dem Online-Marktplatz vorgiebt. Die dort tätigen Händler erwarteten, dass die Rahmenbedingungen von allen Vertragspartnern von eBay eingehalten werden. Mit gelegentlichen Verstößen wird gerechnet, aber nicht mit einem planmäßigen und systematischen Nichtbeachten der Regeln. Die Berufungsklägerin wiederholt sodann noch einmal, wieso hier eine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG oder allgemeine Marktbehinderung vorliegt. Daneben verweist sie auf jeden Fall aber eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG. Die beanstandete Einstellpraxis entspricht in ihrem Unrechtsgehalt den in den Beispielsfällen erfassten Verhaltensweisen.

Die Berufung ist nach Auffassung des OLG Hamm allerdings unbegründet.

Der Berufungsklägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, weil in der Verletzung der Vertragspflichten des Berufungsbeklagten gegenüber eBay kein Wettbewerbsverstoß zu sehen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

Ein Unterlassungsanspruch der (Berufungsklägerin) ergibt sich nicht aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG 2008 in Verbindung mit den eBay-Grundsätzen zur Einstellung von identischen Angeboten. § 4 Nr. 11 UWG ist im vorliegenden Fall gerade nicht anwendbar. Die eBay-Grundsätze gelten auf vertraglicher Grundlage zwischen dem Betreiber der Internetplattform und den dortigen Anbietern. Sie gelten nicht für sonstige Internetangebote außerhalb der Auktionsplattform eBay. Verträge sind auch keine gesetzlichen Vorschriften im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Ebenso wie Verbands- und Vereinssatzungen haben sie nicht den Rang einer gesetzlichen Vorschrift. Dass sie möglicherweise das Marktverhalten der Vertragsparteien bzw. Mitglieder regeln, ist dabei nicht von Bedeutung (Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Auflage, § 4 Rdn. 11.29).

Die gerügten Verstöße gegen vertragliche Vorschriften können auch dann nicht unter Zuhilfenahme des Vorsprungsgedankens über § 3 Abs. 1 UWG 2008 als unlauter angesehen werden, wenn sie für einen größeren Kreis von Vertragspartnern gelten und das Marktverhalten unter diesen umfassend regeln sollen. Selbst bei anderen gesetzlichen Vorschriften, die keine Marktverhaltensregeln sind, wird das verneint (vgl. BGH GRUR 2010, 654 Rdn. 25 -Zweckbetrieb). Es ist auch nicht von einem den Beispielsfällen vergleichbaren Unlauterkeitsgehalt des Verhaltens des (Berufungsbeklagten) auszugehen. Mangelnde Vertragstreue führt nicht automatisch zu einem Unlauterkeitsverdikt. Das gilt auch bei einem hier vorliegenden Verstoß gegen ein vertragliches Werbeverbot, obwohl der (Berufungsbeklagte) als Verletzer ohne weiteres in den Wettbewerb auf der Auktionsplattform eBay eingreifen mag, wie die (Berufungsklägerin) ausführlich vorträgt. Er konterkariert jedenfalls das, was eBay für die Übersichtlichkeit der Angebote auf ihrer Plattform geregelt hat. Werbeverbote oder Beschränkungen von Angeboten regeln zwar das Marktverhalten der Vertragsparteien. Es bleibt aber immer noch dabei, dass nur der Kreis der Vertragspartner betroffen ist. Der Vertragspartner eBay kann die vertraglich vereinbarten Sanktionen treffen, um einem solchen Verhalten Einhalt zu bieten. Die Vertragspartner können auch nicht den gesamten Markt in einer Weise regeln, wie der Gesetz- oder Verordnungsgeber. Dass sich der Verstoß auf den gesamten Markt des Verkaufs der betroffenen Artikel auswirkt, ist weder vorgetragen noch erkennbar. Da aber gerade deshalb ein solcher Verstoß mit einem Gesetzesverstoß im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG nicht vergleichbar ist, fehle es auch bei einem solchen Verstoß gegen ein vertragliches Werbeverbot an einem ebenso unlauterem Verhalten (Harte/Henning/von Jagow, UWG, 2. Auflage, § 4 Rdn. 144, 147).

Auch der von § 3 Abs. 1 UWG umfasste ungeschriebene Unlauterkeitstatbestand der allgemeinen Marktbehinderung (vgl. Köhler/Bomkamm, a.a.O. § 4 Rdn. 12.1, 12.3) scheidet hier aus. Es liegt kein so bedenkliches Verhalten vor, dass dadurch oder in Zusammenhang mit den zu erwartenden gleichartigen Maßnahmen von Mitbewerbern die ernstliche Gefahr begründet wird, dass der Wettbewerb hinsichtlich der angebotenen Waren in nicht unerheblichen Maße eingeschränkt wird und dadurch Mitbewerber ganz vom Markt verdrängt werden. Das wird selbst dann gelten, wenn der (Berufungsbeklagte) nicht nur wiederholt sondern auch systematisch gehandelt hat, auch wenn ein solches Verhalten nicht zum Gegenstand des Antrages gemacht worden ist. Allein die Tatsache, dass der (Berufungsbeklagte) in der Suchliste erheblich öfter mit seinen teils gleichen Produkten auftaucht als die Konkurrenz, wirkt sich für die anderen Anbieter bei eBay nicht derart bedrohlich aus. Es ist nicht einmal sicher, ob die Verbraucher öfter beim (Berufungsbeklagten) kaufen, nur weil immer wieder die gleichen Angebote auftauchen. Es droht eher, dass die Übersicht verloren geht. Wenn das aber zu sehr droht, kann eBay eingreifen. Zu einer ernsthaften Behinderung der Marktchancen der Mitbewerber kommt es aber dadurch nicht. Auch eine spürbare Beeinträchtigung der Verbraucher ist nicht erkennbar. Es kommt hinzu, dass -wie oben schon ausgeführt worden ist- gerade auch nicht der gesamte Markt betroffen ist.

Ein Anspruch der (Berufungsklägerin) gegen den (Berufungsbeklagten) ergibt sich schließlich auch nicht aus §§ 8, 3, 4 Nr. 10 UWG wegen gezielter Behinderung von Mitbewerbern. Dieser weit gefasste Beispielstatbestand erfasst zwar alle Erscheinungsformen der individuellen Mitbewerberbehinderung, wie sie schon von der Rechtsprechung zu § 1 UWG a.F. entwickelt worden ist. Der neue Begriff der „gezielten“ Behinderung stellt aber klar, dass eine Behinderung als notwendige Folge des Wettbewerbs nicht ausreicht. Es ist vielmehr erforderlich, dass eine behindernde Maßnahme ihrer Art nach darauf gerichtet sein muss, den Mitbewerber an seiner wettbewerblichen Entfaltung zu hindern. Bei einem Kundenfang oder jedenfalls einer Umleitung von Kundenströmen muss demnach im Vordergrund stehen, mögliche Kunden vom Wettbewerber abzulenken. Wird nur beabsichtigt, Kunden zu sich hin zu lenken, und wird der Mitbewerber dann zwangsläufig durch einen Zugriff des (Berufungsbeklagten) behindert, weil dieser durch einen solchen Vertragsverstoß in einem größeren Umfeld bei der Auflistung der Angebote zum Zuge kommt, ist das bloße Folge des Leistungswettbewerbs und reicht für eine gezielte Behinderung nicht aus.

Die erforderliche Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der Wettbewerbsfreiheit ergibt im vorliegenden Fall, dass durch die Vertragsverstöße die Grenze zur Wettbewerbswidrigkeit noch nicht überschritten wird. Sicherlich hat der (Berufungsbeklagte) gerade davon profitiert, durch die unstreitigen vermehrten Angebote möglichst oft in der Suchliste bei eBay aufzutauchen. Es mag auch unstreitig sein, dass sich das wirtschaftlich positiv für ihn auswirken kann. Er mag sich erhofft haben, vermehrt Kunden auf der Plattform eBay in irgendeiner Form auf sich aufmerksam machen und zu sich hinleiten zu können. In diesem Verhaften liege aber gerade noch kein gezieltes Ablenken der Kunden von der (Berufungsklägerin) und den zahlreichen anderen Wettbewerbern. Der (Berufungsbeklagte) will und könne sich nicht gezielt um Kunden bemühen, die schon mit einem Wettbewerber wie der (Berufungsklägerin) in Kontakt standen. Er dränge sich somit bildlich nicht zwischen die (Berufungsklägerin) und ihre Kunden. Wenn sich der Vertragsverstoß wirtschaftlich zu Lasten der (Berufungsklägerin) auswirken würde, geschieht das nur zufällig.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision hat das Gericht verneint.

Fazit: Das OLG Hamm scheint möglicherweise zum Schutz vor Überflutung eine politische Entscheidung getroffen zu haben. Nach Auffasung des OLG Hamm muss eBay bei derartigen Verstößen aktiv werden, um Chanchengleichheit unter den Händlern herzustellen. Ob eBay auf das Urteil tatsächlich reagieren wird ist fraglich. Viele eBay Händler verstoßen absichtlich gegen die eBay-Grundsätze, um mehr Artikel anbieten und dadurch mehr Umsatz erzielen zu können.

Zu Berücksichtigen ist stets, dass auch eBay für jeden Verkauf Provisionen erhält und das Verhalten der Händler vorerst toleriert. Das Urteil trägt jedenfalls nicht dazu bei, die Chancengleichheit zwischen den Händlern seitens der Rechtsprechung zu fördern.


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