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Das OLG Dresden hat mit Urteil vom 01.04.2015 erstmals die Grundsätze der Störerhaftung auch auf Mikroblog-Dienste angewendet. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Entscheidung wurde eine Revision zum BGH zugelassen – Aktenzeichen 4 U 1296/14.

Sachverhalt, der zur Störerhaftung für Mikroblog-Dienste geführt hat

Die Beklagte ist ein Unternehmen, das als Hostprovider einen Mikroblogging-Dienst betreibt. Mikroblogging ist eine besondere Form des Bloggens. Dabei können Benutzer kurze Textnachrichten veröffentlichen. Diese kurzen Nachrichten – meistens weniger als 200 Zeichen – sind entweder privat oder öffentlich zugänglich und werden – genauso wie in einem Blog – chronologisch dargestellt. Nutzer können diese Kurznachrichten über verschiedene Kanäle abonnieren. Der bekannteste Mikroblogging-Dienst – um den es hier allerdings nicht ging – ist Twitter.

Ein unbekannter Nutzer hatte über den Dienst der Beklagten verschiedene kritische und/oder ehrverletzende Äußerungen über die Geschäftspraktiken der Klägerin verbreitet. Die Klägerin verlangte daraufhin von der Beklagten, diese Äußerungen über ihren Dienst im Bereich der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen.

Entscheidungsgründe des OLG Dresden

Das Gericht verurteilte die Beklagte dazu, auf Grundlage von § 823 Abs. 1 und § 1004 BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht bzw. dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht es zu unterlassen, einige der beanstandeten Äußerungen zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen.

Die Beklagte sei nach den Grundsätzen der Störerhaftung verantwortlich. Eine Verantwortung der Beklagten als Störer ergebe sich, weil sie willentlich und adäquat kausal zur Verbreitung von Äußerungen beitrage, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigen könnten. Das OLG Dresden bezog sich dabei auf die ständige Rechtsprechung des BGH zum Störerbegriff (Urteil vom 30. Juni 2009 – VI ZR 210/08; Urteil vom 11. März 2004 – I ZR 304/01; Urteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10). Die Störerhaftung gelte allerdings nicht uneingeschränkt, sondern setze die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten voraus.

Nach Ansicht des Gerichts liegen im Bereich der Haftung von Hostprovidern diese Verhaltenspflichten insbesondere in der Erfüllung bestimmter Überprüfungspflichten. Dabei richteten sich Art und Umfang dieser Prüfpflichten nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls (siehe dazu auch BGH Urteil vom 30. Juni 2009 – VI ZR 210/08; Urteil vom 17. August 2011 – I ZR 57/09; Urteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10). Es sei dem Betreiber eines Mikroblogging-Diensts nicht zumutbar, die Äußerungen der Nutzer vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen.

Eine entsprechende Pflicht träfe den Betreiber erst dann, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt habe. Dazu müsse ein Betroffener den Betreiber auf die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Inhalt einer in den Mikroblogging-Dienst eingestellte Nachricht hingewiesen haben. Nur wenn dieser Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung bejaht werden könne, müsse der Hostprovider tätig werden.

Auch hier komme es wieder auf die Umstände des Einzelfalls an. Grundsätzlich sei der Betreiber des Mikroblogging-Dienstes verpflichtet, den Hinweis des Betroffenen auf die mögliche Rechtsverletzung an den Schreiber der Nachricht weiterzuleiten und ihn um Stellungnahme zu bitten. Wenn der Schreiber der Nachricht nachvollziehbar darlegt, dass keine Rechtsverletzung gegeben sei, weil zum Beispiel seine Äußerungen der Wahrheit entsprechen, muss der Betreiber des Mikroblogging-Dienstes dies dem Beschwerdeführer mitteilen und gegebenenfalls weitere Nachweise verlangen. Wenn der Betroffene dann nicht reagiert, muss auch der Betreiber des Mikroblogging-Dienstes nicht weiter handeln. Wenn sich aber aus der Stellungnahme des Betroffenen oder den von ihm vorgelegten Unterlagen eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts ergibt, muss der Betreiber des Mikroblogging-Dienstes den Eintrag löschen (siehe dazu BGH, Versäumnisurteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10).

Diesen Prüfablauf hält das OLG Dresden im Rahmen der gegenwärtigen Gesetzeslage für die sachgerechteste Lösung in Bezug auf das Problem der Abwägung der betroffenen-, Nutzer- und der Providerrechte und -interessen. Diese Vorgehensweise auch bei Mikroblogging-Diensten sei ein erforderliches Korrektiv dafür, dass unbekannte Nutzer über den Mikroblogging-Dienst ehrverletzende Äußerungen machen können. Nach Ansicht des Gerichts verfängt auch ein Verweis des Betreibers des Mikroblogging-Dienstes auf das Strafrecht nicht, weil es keinen sachlichen Grund gebe, dem Betroffenen den Zivilrechtsweg nur deshalb abzuschneiden, weil die beanstandete Äußerung im Medium Internet erfolgt sei. Die Beklagte befürchtete auch eine Beeinträchtigung ihres Geschäftsmodells, da sich der Nutzer dann unter Umständen „einem anderen Dienst zuwenden“ würde, „da die Hürden für einen Wechsel des Providers in einem solchen Fall sehr gering sind.“

Das OLG Dresden hielt dieses Argument allerdings nicht für stichhaltig. Die Gewinnerzielungsabsicht bei einem bestimmten Geschäftsmodell rechtfertige keine Verschiebung der juristischen Ballance vom betroffenen Weg hin zu einem anonymen Nutzer. Insbesondere gelte dies deshalb, wenn der Nutzer – aus welchen Gründen auch immer – die von ihm geäußerte Mitteilung nicht belege oder verteidige.

Der Betreiber des Mikroblogging-Dienstes sei in diesen Fällen nicht der „Hüter“ der Interessen des – beispielsweise anonymen – Nutzers. „Eine solche Denkweise würde den Nutzer selbst der Eigenverantwortlichkeit entheben.“

Das OLG Dresden hat die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen.

Störerhaftung für Mikroblog-Dienste – was tun?

Wenn Sie eine Frage zum Thema Mikroblog-Diensten haben sollten, stehe ich Ihnen gerne über mein Kontaktformular zur Verfügung.

 


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