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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 18.01.2012 (Az.: I ZR 187/10) entschieden, das der Inhaber eines Domainnamens durch die Registrierung kein absolutes Recht an dem Domainnamen und damit kein sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB erwirbt.

Derjenige der bei einer sogenannten WHOIS-Abfrage bei der DENIC als Inhaber eines Domainnamens eingetragen ist, ohne gegenüber der DENIC materiell berechtigt zu sein, könne diese Stellung im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB aber auf Kosten des Berechtigten erlangt haben.

Kein absolutes Recht an Domainnamen – Sachverhalt:

Im entschiedenen Fall geht es darum, das eine dritte Person für den ursprünglichen Inhaber in der WHOIS-Datenbank der DENIC als Domäneninhaber eingetragen war. Die Beklagte hatte die Domäne später über eine Domain Handelsplattform gekauft und wird seitdem als Domäneninhaber in der WHOIS-Datenbank geführt. Der Kläger verlangt von der Beklagten u.a. die Zustimmung, dass er an deren Stelle in die von der DENIC Domain Verwaltungs- und Betriebsgesellschaft e.G. in Frankfurt am Main geführten WHOIS-Datenbank als Inhaber des Domainnamens „gewinn.de“ eingetragen wird.

Das Berufungsgericht hat die in erster Instanz mit dem Hauptantrag erfolgreiche Klage abgewiesen (OLG Brandenburg, GRUR-RR 2010, 485). Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Der BGH hat das Berufungsurteil auf die Revision des Klägers aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverwiesen. Eine eigene abschließende Entscheidung sei dem Senat nicht möglich, weil hierfür noch weitere Feststellungen erforderlich seien.

Kein absolutes Recht an Domainnamen – Begründung:

1. Durch die Registrierung eines Domainnamens erwerbe der Inhaber der Internetadresse weder Eigentum am Domainnamen selbst noch ein sonstiges absolutes Recht, das ähnlich der Inhaberschaft an einem Immaterialgüterrecht verdinglicht wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2008 I ZR 159/05, GRUR 2008, 1099 Rn. 21 = WRP 2008, 1520 afilias.de; Urteil vom 14. Mai 2009 I ZR 231/06, GRUR 2009, 1055 Rn. 55 = WRP 2009, 1533 airdsl). Der Vertragsschluss mit der Registrierungsstelle begründe allerdings ein relativ wirkendes vertragliches Nutzungsrecht zu Gunsten des Domainnamensinhabers, das ihm ebenso ausschließlich zugewiesen sei wie das Eigentum an einer Sache (vgl. BVerfG, GRUR 2005, 261 ad-acta.de; BGH, GRUR 2009, 1055 Rn. 55 airdsl). Eine Einordnung als deliktsrechtlich geschütztes Recht erfordere dagegen eine absolute, gegenüber jedermann wirkende Rechtsposition (vgl. Bornkamm in FS Schilling aaO S. 39). Bei einem Domainnamen handele es sich aber nur um eine technische Adresse im Internet. Die ausschließliche Stellung, die darauf beruhe, dass ein Domainname von der DENIC nur einmal vergeben werde, sei allein technisch bedingt. Eine derartige, rein faktische Ausschließlichkeit begründe kein absolutes Recht (vgl. BVerfG, GRUR 2005, 261 ad-acta.de; BGH, Beschluss vom 5. Juli 2005 VII ZB 5/05, GRUR 2005, 969, 970 = NJW 2005, 3353; BFH, Urteil vom 19. Oktober 2006 III R 6/05, BFHE 215, 222, 225 = BB 2007, 769, 770; Bornkamm in FS Schilling aaO S. 39).

2. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Verneinung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs des Klägers. Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger die begehrte Zustimmung von der Beklagten nach den Grundsätzen der Eingriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB verlangen könne.

a) Das Berufungsgericht habe einen Anspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB mit der Begründung verneint, die Beklagte habe nichts auf Kosten des Klägers erlangt. Die Eintragung in die „WHOIS-Datenbank“ genieße weder öffentlichen Glauben noch ermögliche sie einen gutgläubigen Erwerb von Rechten an einem Domainnamen. Ebenso wenig komme der Eintragung konstitutive Wirkungen zu. Es handele sich um ein rein privates Verzeichnis der Vertragspartner der DENIC, das die Erreichbarkeit des Inhabers eines Domainnamens bei technischen Schwierigkeiten gewährleisten solle. Darüber hinaus könne bei einer von dem Domainnamen ausgehenden Rechtsverletzung mit Hilfe des Verzeichnisses festgestellt werden, wer möglicherweise in Anspruch zu nehmen sei. Die rechtliche Position des Klägers werde durch die Eintragung der Beklagten als Inhaberin des Domainnamens „gewinn.de“ nicht gefährdet.

b) Dieser Beurteilung vermag der Senat nicht beizutreten.

aa) Als erlangtes Etwas im Sinne der allgemeinen Eingriffskondiktion des § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB komme jeder vermögensrechtlich nutzbare Vorteil in Betracht, der von der Rechtsordnung einer bestimmten Person zugewiesen sein könne. Hierzu zählen nicht nur alle absoluten Rechte, der Besitz sowie Nutzungsund Verwertungsmöglichkeiten, sondern ebenso vorteilhafte Rechtsstellungen sonstiger Art, wie beispielsweise unrichtige Eintragungen im Grundbuch, ein Erbschein, ein Testamentsvollstreckerzeugnis und Urkunden, denen gewisse Rechtswirkungen zukommen oder aber unter ungünstigen Umständen zukommen können, aber auch die Stellung eines Forderungsprätendenten bezüglich eines hinterlegten Geldbetrages (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1989 VIII ZR 228/88, BGHZ 109, 240, 244; Urteil vom 26. April 1994 XI ZR 97/93, NJWRR 1994, 847; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 812 Rn. 40; BeckOK-BGB/Wendehorst, Stand: 1. März 2011, § 812 Rn. 132). Die auf Kosten des wirklichen Rechtsinhabers erlangte Stellung als Hinterlegungsbeteiligter verleihe dem anderen Forderungsprätendenten die Macht, die Auszahlung des hinterlegten Betrags an den materiell Berechtigten zu verhindern. Diese Rechtsstellung müsse der an dem hinterlegten Gegenstand nicht Berechtigte auf der Grundlage der Eingriffskondiktion durch Erklärung gegenüber dem Berechtigten oder dem Schuldner nicht nur im Falle einer förmlichen Hinterlegung aufgeben (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1961 VII ZR 181/59, BGHZ 35, 165, 170; BGH NJWRR 1994, 847), sondern auch dann, wenn der Schuldner die Leistung an den materiell Berechtigten von der Zustimmung des weiteren Forderungsprätendenten abhängig mache, der wahre Berechtigte mithin nicht ohne die Zustimmung des anderen über sein Recht verfügen könne (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1969 VIII ZR 10/68, NJW 1970, 643).

bb) Eine dem Forderungsprätendenten vergleichbare Stellung nehme auch derjenige ein, der als Inhaber eines Domainnamens in der „WHOIS-Datenbank“ der DENIC eingetragen ist, ohne gegenüber der DENIC tatsächlich materiell berechtigt zu sein. Die Eintragung in der „WHOIS-Datenbank“ der DENIC habe nicht nur Bedeutung für die Verwaltung des Domainnamens und die Feststellung des möglichen Anspruchsgegners im Falle einer von dem Domainnamen ausgehenden Rechtsverletzung, sie sei wie bereits dargelegt (s. oben)  vielmehr auch bedeutsam für die wirtschaftliche Verwertung eines Domainnamens. Die mit der materiellen Rechtslage übereinstimmende Eintragung des Berechtigten in die „WHOIS-Datenbank“ verleihe diesem nach außen hin die Stellung eines Vertragspartners der DENIC und gebe ihm den vermögensrechtlich wirksamen Vorteil, über den Domainnamen nicht nur rechtswirksam, sondern auch tatsächlich verfügen zu können. Die Eintragung eines Nichtberechtigten bewirke dagegen eine tatsächliche Sperrfunktion, die den berechtigten Inhaber des Domainnamens bei einer Verwertung über sein Recht zumindest behindert.

cc) Ein Bereicherungsausgleich nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB setze allerdings voraus, dass sich der Schuldner eine vermögenswerte Rechtsposition „auf Kosten“ des Gläubigers zu eigen mache, deren Nutzen ihm ohne die Gestattung des Rechtsinhabers in rechtmäßiger Weise nicht zukomme. Diese Voraussetzung sei bei der unrichtigen Eintragung der Person erfüllt, die als Inhaber des Domainnamens in der „WHOIS-Datenbank“ der DENIC eingetragen ist.

Rechtlicher Anknüpfungspunkt für einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB sei die Verletzung einer Rechtsposition, die nach der Rechtsordnung dem Berechtigten zu dessen ausschließlicher Verfügung und Verwertung zugewiesen ist. Der erlangte Vermögensvorteil müsse dem Zuweisungsgehalt der verletzten Rechtsposition widersprechen. Der Zuweisungsgehalt der geschützten Rechtsposition entspeche einem Verbotsanspruch des Rechtsinhabers, in dessen Macht es steht, die Nutzung des Rechtsguts einem sonst ausgeschlossenen Dritten zur wirtschaftlichen Verwertung zu überlassen. Der Eingriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB unterliege danach jeder vermögensrechtliche Vorteil, den der Erwerber nur unter Verletzung einer geschützten Rechtsposition und der alleinigen Verwertungsbefugnis des Rechtsinhabers erlangen könne (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1989 I ZR 189/86, BGHZ 107, 117, 121 Forschungskosten, mwN).

Domainnamen können ebenso wenig wie anderen schuldrechtlichen Rechtspositionen die Zuordnungsfunktion zu ihrem Inhaber abgesprochen werden (vgl. Bornkamm aaO S. 38 f.). Dem stehe nicht entgegen, dass schuldrechtliche Ansprüche die beanspruchten Rechtsgüter vor ihrer Erfüllung dem Gläubiger noch nicht zuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 1986 V ZR 140/85, NJW 1987, 771; Urteil vom 23. März 1993 XI ZR 167/92, NJW 1993, 1919; Palandt/Sprau aaO § 812 Rn. 40; Erman/Buck-Heeb, BGB, 13. Aufl., § 812 Rn. 72). Der Gegenstand des einen Bereicherungsanspruch auslösenden Eingriffs sei im Falle der Forderungsanmaßung nicht der zur Erfüllung beanspruchte Gegenstand. Der bereicherungsrechtlich relevante Eingriff erfolge vielmehr in die Stellung des Forderungsinhabers als solche. Aufgrund der unterschiedlichen tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen zwischen der bereicherungsrechtlichen Eingriffshaftung auf der einen und dem Deliktsschutz auf der anderen Seite führe die Einbeziehung schuldrechtlicher Positionen auch nicht zu einer dem Deliktsschutz vergleichbaren Haftung für die Verletzung solcher Rechtsgüter, die gerade nicht dem Deliktsschutz unterliegen.

c) Für einen Eingriff in die vom Kläger beanspruchte Stellung als Inhaber des Domainnamens gebe es im Verhältnis unmittelbar zwischen den Parteien auch keinen rechtlichen Grund.

Quelle: Bundesgerichtshof